Ich lebe meinen Traum
La dolce vita geht weiter…und ich lebe meinen langersehnten „lateinamerikanischen Traum” in vollsten Zügen. Von Tag zu Tag und von Monat zu Monat lerne ich viele verschieden Seiten Südamerikas kennen und ich bin meistens – immer noch begeistert.
Sonnenaufgang
Leider ist Lucia auf einer Tour zu sieben verschiedenen Wasserfällen in Baños sehr fies ausgerutscht und hat sich dabei den Ischiasnerv verletzt. Das Auskurieren dauert manchmal Monate. Wir hatten Glück und nach zwei Wochen war der schlimmste Schmerz vorbei und zum ersten Mal war wieder an Rucksackschleppen und Übernachtungen in der Hängematte zu denken. Da sich der imposante Vulkan Tungurahua (der das letzte Mal im Mai 2006 mit schwerwiegenden Folgen ausbrach) in der Nähe von Baños befindet, gibt es im Ort drei verschieden Thermalbäder, welche sich auch sehr gut zur Heilung von Lucias Schmerzen anboten.
Zur selben Zeit fand der Karneval statt. In Südamerika gibt es zwar auch Faschingsumzüge, aber sonst verkleidet sich niemand. Statt Konfetti und Papierrollen werden die Leute überall mit Rasierschaum besprüht und mit Wasser, Mehl, Farbe, Fischdärmen oder Eiern beworfen. Außerdem werden Obst und Gemüsefeste gefeiert und die Faschingskönigin der Region gekürt, während dessen fahren die Leute in ihren Pick Ups herum und verschütten Wasser! Was für ein Spaß oder auch nicht! Nach der verzweifelten Suche eines guten Karnevalszenarios fanden wir dann doch noch an meinem Geburtstag in Guaranda den Spaß den ich mir vom Karneval erhofft hatte. Dort fanden den ganzen Tag Konzerte statt und die Stadt ist berühmt für ihre Gastfreundschaft. Die Leute bewarfen sich und uns zwar auch mit allem Möglichen und als bei Fischdarmkübeln und Wasserbomben kein Durchkommen mehr war, lernten wir drei symphatische Ecuadorianer kennen, die uns in ihrem Auto mit zum Hauptplatz nahmen. Nach einer lustigen Nacht mit den Dreien, einem Konzert von Gilberto Santarosa, ein paar Flaschen Likör und ein paar Stunden Party in Ambato (der Karnevalhauptstadt der Region) später, kamen wir dann frühmorgens wieder in Riobamba an. Am nächsten Tag wurde es jedoch absolut Zeit diese hässliche Stadt endlich zu verlassen.
Guaranda Karneval
Wir hatten uns vorgenommen, so wenig wie möglich zu planen. Aber einer der wichtigsten Programmpunkte auf unserer Reise sollte eine Bootstour auf dem Amazonas sein. Wie sich herausstellte war eine Planung unmöglich und die Leute versicherten uns, dass viel Zeit eingeplant werden müsse, um (wenn überhaupt) über den Napo Fluss nach Iquitos zu gelangen. In den letzten vier Monaten sahen wir soviel verschieden Orte und lernten soviele verschiedene Leute kennen, deshalb waren wir absolut reif dafür, der Zivilisation ein bisschen zu entkommen und wir waren bereit uns die nötige Zeit dazu zu nehmen.
Nach einer weiteren Zwischenstation in Baños, um den Heilungsprozess von Lucias Rücken (für die Hängematte auf dem Boot) zu beschleunigen, kamen wir endlich in Tena an.
Tena
Tena ist eine der letzten großen Städte vor dem Dschungel. Dort formiert sich bereits die Kulisse derartig spektakulär, dass ich es kaum erwarten konnte auf dem Napo Fluss in Richtung Amazonasbecken aufzubrechen. Nach ein paar ruhigen Tagen in Tena fuhren wird dann vier weitere kurvige Stunden nach Coca, eine ruhige, nette aber heiße Erdölstadt. Dort wurde uns wiederum bestätigt, wie schwierig es werden würde ein Boot nach Peru zu finden bzw genau das einmal im Monat auslaufende Frachtschiff zu erwischen. Wir beschlossen nach zwei Tagen „warten“ und ohne eine weitere genaue Info – ob und wann das Transportschiff von Iquitos losfuhr – auf eigene Faust loszuziehen und nach der Grenze nochmal zu versuchen an mehr Information zu gelangen. Scheinbar wollen die Ecuadorianer und die Peruaner nicht mal in der Grenznähe miteinander zu tun haben. Am Sonntag um sechs Uhr morgens sollte das Boot mit einem Fassungsvermögen von circa 80 Leuten ablegen. Das Boot war hoffnungslos überfüllt, dennoch gab die Hafenpolizei nach drei Stunden ihr Einverständnis und wir konnten ablegen. An Bord lernten wir, neben dem halben Boot, eine allein reisende Gringa namens Christina kennen. Als wir um zehn Uhr nachts endlich in Nueva Rocafuerte ankamen, warteten dort schon Fernando und ein anderer Guide auf uns. An der Grenze findet ein bitterer Kampf um die wenigen Touristen und heftigstes Dumping statt. Nach einer Weile und vielem Diskutieren legten wir schlussendlich den Preis für die Grenzüberfahrt im Schnellboot bei USD 40 fest. Leider gibt es keine öffentliche Verkehrslinie und scheinbar fahren nur wenige Leute privat über die Grenze. Auch die Preise für Essen und Unterkunft sind Verhandlungssache. Inzwischen sind wir auch schon ganz gut im dumpen.
Als wir in Pantoja/Peru ankamen, warteten dort schon Assaf aus Israel (ein Freund von Christina) und Jimin aus Südkorea sehnsüchtig auf uns. Trotz der Abgeschiedenheit und der langen Distanzen spricht sich schnell herum wo sich gerade welche Gringos befinden. Assaf und Jimin verbrachten bereits eine Woche im Dorf. Abgesehen von der spektakulären Natur gibt es außer einem Openairrestaurant mit einem Tisch und fünf Stühlen nicht wirklich was. Der Strom wird pünktlich um 23h abgeschalten. In Pantoja konnten wir dann herausfinden, dass das Transportboot von Iquitos tatsächlich circa eine Woche Verspätung hatte.
Pantoja – Junglegroup
Da wir inzwischen eine Gruppe von fünf Leuten waren, beschlossen wir im Peque Peque (Langstilmotor – und wer einmal damit gefahren ist, weiß warum es so genannt wird – peque peque peque…) Boot bis nach Santa Clotilde zu fahren. Francisco (16 Jahre) bot uns an, uns alle in seinem Boot für USD 350 mitzunehmen. Als ich am nächsten Tag bei Tagesanbruch das Boot dann genauer sehen konnte, bekam ich fast die Krise: klein, eng, niedrig und voll beladen. Dennoch war die zweitägige Fahrt, besonders durch die besagte Gruppenkonstellation mit den unterschiedlichsten Charakteren, ein erträgliches und sogar besonderes Erlebnis. Wenn sich die Wolken und die Farben des Himmels von himmelblau, rosa, orange, rot und violett langsam zu dunkelblau wechseln und sich in der Weite des Napo spiegeln, die Gitarren- und Ukulelenmusik langsam im Peque Peque Geräusch untergehen, die frischen Orangen mit Zuckerrohrschnaps immer noch besser schmecken und die Gesichter zufrieden dem Sonnenuntergang entgegenblicken – dann ist das ein perfekter Moment für mich.
auf dem Peque Peque Boot
Sonnenuntergang
Puerto Elvira
Zum Übernachten legten wir in einem kleinen Dorf namens Puerto Elvira an. Am Lagerfeuer wiegten wir uns langsam mit noch mehr Zuckerrohrschnaps in den kurzen Hängemattenschlaf. Nach einem weiteren „la dolce vita“ Tag auf dem Boot kamen wir abends bereits in Santa Clotilde an. Es gefiel uns so gut, dass wir einstimmig beschlossen noch einen Tag länger zu bleiben. Da dort nicht so viele Gringos auftauchen, waren wir im Handumdrehen das Dorfgespräch und im Mittelpunkt des Geschehens: „Gringos, Gringos, Gringos…“ – die Kinder hatten ihren Spass mit uns :).
Frühmorgens am nächsten Tag brachen wir zu einer Dschungeltour auf, um Schwarzwasser und die Fauna und Flora kennenzulernen. Es war einfach nur spektakulär: die Farben, die Formen, die Größe, die Intensität…und wiederum saßen wir alle mit einem breiten, zufriedenen Lächeln im Boot und ließen uns von den Impressionen beeindrucken.
Schwarzwasserlagune
Von Santa Clotilde aus fahren täglich Schnellboote (El Rapido) nach Mazan. Nach vier Stunden und für Peruanische Soles 75 kommt man dort um elf Uhr mittags an. Vom Hafen aus nahmen wir ein Mototaxi (2 Soles/10 Minuten) nach Indianas, von wo man schlussendlich noch ein weiteres Schnellboot nehmen muss um endlich zum heiligen Gral, nach Iquitos zu gelangen. Der heilige Gral stellte sich zwar als komfortabel und sehr vielseitig heraus, dennoch hatte ich mit dem plötzlich zurückgewonnenen Überfluss an Zivilisation zu kämpfen. Wenn man mal eine Woche keine Autos, Mototaxis, Hupen, Parties, Internet, Radio – sprich Nachrichten (und dazu noch so krasse) usw zur Verfügung hat, dann muss man sich auch irgendwie wieder daran gewöhnen. Ebenso wie an die ständigen Blicke und die nervigen Schwätzer, die einem etwas auf der Straße verkaufen wollen. Das Wochenende nutzten wir für einen intensiven Abschied von der unglaublich harmonierenden Peque Peque Gruppe und für die Erkundung Iquitos.
Iquitos Hafen
Iquitos Belen
Von Iquitos aus fahren fast täglich Boote weiter den Amazonas hinunter. Wir befinden uns soeben auf der Fähre in Richtung Yurimaguas, von wo aus wir dann mit dem Bus Richtung Trujillo zu meinem Freund Rey fahren werden.
Es wird höchste Zeit für einen Latino Absatz: Da ich mich sehr gerne mit den Menschen hier unterhalte und auch schon den ein oder anderen Mann auf meiner Reise kennengelernt habe, erfüllen sich meiner Meinung nach jegliche Klichees. Den Frauen wird jeder Wunsch von den Lippen abgelesen, genauso wie Frauen auch damit klarkommen müssen, dass jeder zweite Mann hormongeladene Blicke (wenn es harmlos ist) oder eindeutig zweideutige Kommentare abgibt. Wenn man nicht damit klar kommt, lernt man das schnell. Ich komme inzwischen natürlich damit klar, allerdings vermisse ich die rationale Gesprächsbasis die ich von zuhause gewohnt bin doch sehr. Vielleicht hat auch der eher passive Mitteleuropaer das zu wenig was der Latino definitiv zu viel hat. Der streng impulsive, katholische, romantische, eifersüchtige, niemals monogame Latino tobt sich mitten im öffentlichen Leben in der lebensfrohen, extrovertierten Macho-Gesellschaft an jeder x-beliebigen Ecke aus und verbreitet seine Meinung, ob man es hören will oder auch nicht. Und der Latino macht viele Kinder aber nicht jeder kann gut tanzen. Ach und bloß weil einer dir viele Komplimente macht oder scharf auf dich ist, heißt das noch lange nicht, dass sie dich nicht beklauen wollen. So ergeben sich viele emotionale auf und abs in den zwischenmenschlichen Begegnungen – besonders wenn zwei Blondies gemeinsam losziehen. Auf jeden Fall wird es nie langweilig mit den Latinos.
Was die Religion betrifft, will ich mich schon gar nicht mehr mit irgendjemandem darüber unterhalten. Mehr Maximum an Kontroversen könnten nicht aufeinandertreffen. Trotz der starken indigenen Wurzeln. Hier im Amazonasgebiet sind alle entweder katholisch, evangelisch oder auf der Mormonenschiene. Unsere Schiffskabinennachbarn sind vier Nordamerikaner und ein Iquiteño, die ihre nachmittäglichen Bibelstunde halten und auf Mission in ein kleines indigenes Dorf sind um die Leute dort zu „bekehren“ und ihnen „castellano“-Spanisch beizubringen. Manchmal kommt es mir vor, als wäre ich im falschen Jahrhundert gelandet! Sowas macht mich echt wahnsinnig. Genauso wie es mich wahnsinnig macht, dass die Leute hier einfach noch nicht kapiert haben, dass man Plastikflaschen nicht in den Amazonas wirft. Es gibt schon einige Bio-Lodges und Kampagnen, dennoch fehlt ein kolektives Bewusstsein für Umweltschutz. Ich habe also viel zu diskutieren und zu erklären und das ist meine kleine Mission.
Diese Realitäten sind leider auch ein Teil der Impressionen, die ich auf meiner Reise mitnehme. Ich kann mich über vieles wundern. Positives und negatives. Dennoch bin ich immer noch schwer begeistert, aber vielmehr noch erstaunt über die Lebensfreude und die vielen Gesichter Südamerikas!
Kinder
Indiokinder am Napo
Am 26.03.2011 um 13:36 Uhr
wie immer ein ganz toller Bericht, Alex!!!!
Am 27.03.2011 um 12:34 Uhr
Deine Berichte sind echt gut zu lesen, informativ, lustig – einfach spitze! Viel Spaß noch auf der Reise und weiter fleißig schreiben! LG Elias
Am 28.03.2011 um 13:44 Uhr
Freu mich sehr für dich!! Genieß die Zeit!!!
Gruß Daniel
Am 28.03.2011 um 21:24 Uhr
Ich mag Kurzurlaub. Vor allem nach einer langen stressigen Arbeitszeit benötigt jeder Mensch eine kurze Auszeit. Oftmals weiß man nicht genau, wann der nächste Urlaub bevorsteht und es bleibt nichts anderes übrig, als einen spontanen Urlaub zu unternehmen.
Am 02.04.2011 um 09:41 Uhr
Wow! jeder Bericht wird noch mitreissender und die Reiselust wächst!
Buena Aventura!!
Am 03.04.2011 um 17:52 Uhr
da kann man fast neidisch werden. Echt toll deine Berichte!! Freu mich sehr für dich und paß gut auf dich auf!!! Glg Arno