Weiter nach Argentinien…
Hola amig@s,
bereits das letzte Land auf meiner „mehr oder eben doch weniger geplanten“ Reiseroute zieht herein. Ach nein, wartet… ich fahre nochmal nach Peru zurück.
Es gibt dort noch viel für mich zu entdecken. Und wenn ich sowieso schon mal auf dem Kontinent bin, dann spielt ein Monat mehr oder weniger wohl auch keine Rolle mehr. Am liebsten würde ich sowieso nochmal die ganze Route zurückreisen. Besonders der Dschungel und die Abgeschiedenheit in Peru haben es mir angetan. Aber auch die nächste Reise kommt bestimmt – sobald die Reisekasse wieder stimmt.
Bolivien – Montaña de 7 colores
Montaña de 7 colores
Geysir in der Salar Uyuni
Salzlagune
Ich bin also endlich in meinem „gelobten Land“ Argentinien angelangt.
Sobald man über die bolivianische Grenze fährt, ändert sich so einiges. Der argentinische Charme schlägt seine Wellen und die Infrastruktur hat plötzlich wieder jede Menge zu bieten. Viele Dinge die mir aus Europa vertraut sind tauchen wieder auf: lange Gespräche, politische Diskurse, unterschiedliche Kleidungsstile und Frisuren, eine gewaltige Bandbreite an vertrauter Kunst, Kaffee mit Milchschaum und Ravioli mit Tomatensauce zum Beispiel. Die Brücke in die westliche Gesellschaft ist auf jeden Fall geschlagen und Bolivien liegt nach mehr als einem Monat in Argentinien bereits sehr weit hinter mir. Dennoch inklusive Melancholie!
La Quiaca
Als ich an einem Sonntag vor cirka eineinhalb Monaten in La Quiaca ankam, beschloss ich nur kurz dortzubleiben, da an Wochenenden in argentinischen Kleinstädten nicht viel mehr als Fussball läuft. Im einzigen offenen Cafe wurde ich dann für die nächsten paar Stunden in die Fernet-Cola- und sonntäglichen Fussballgewohnheiten (der Nationalteams River und Boca) eingeweiht. Das darf natürlich auf keinen Fall fehlen. Die darauf anschliessende Busfahrt bei Nacht war deshalb besonders chillig und es störte mich recht wenig, dass mich eine ältere Dame vollquasselte obwohl ich bereits am Einschlafen war. Bestimmt hat sie erst nach einer Weile gemerkt dass ich schon schlafe, da sie so wie viele Argentinier gerne Monologe führt. Argentinier haben scheinbar ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und ich musste mich doch wirklich anfangs daran gewöhnen, dass die Leute hier ohne Punkt und Komma drauflosreden. Besonders häufig sind politische und kulturelle Gesprächsthemen (vor allem über Essen) sowie die liebe Familie und Beziehungen. Bla bla bla. Abgesehen davon, dass ich mich an die monotonen Dialogkonstukte gewöhnen musste, werde ich tagtäglich von den landestypischen Vokabeln herausgefordert. Aber gleichzeitig liebe ich sowas ja auch. Dennoch dachte ich anfangs, dass mein gesamtes Studium und die vielen Aufenthalte in Spanien für Argentinien unbrauchbar seien. Nachdem ich irgendwann festgestellt habe dass ich einfach gleichzeitig und lauter wie meine Gesprächspartner reden muss, konnte ich die Monologe in Richtung Dialoge lenken. Und auch wenn ich nicht alles gleich verstehe ist die Freundlichkeit, der Charme und das Interesse der Argentinier für mich Europäerin einfach nur eine Freude.
Salta
Mit viel Charme, wunderschöner Stadtarchitektur und vielen kleinen Restaurants und Boutiquen hat Salta einiges zu bieten. Umso mehr freute ich mich dann noch, als Lisi von Tucuman herfuhr um gemeinsam die Umgebung zu erkunden. Wie schön ist es doch gute Freunde zu treffen und vertraute Gespräche in der Muttersprache zu führen!
Salta la Linda
Cafayate
Wissenschaftliche Exkursion in den Disziplinen Geographie und Weinkunde trieben uns dann nach Cafayate, ein verschlafenes aber idylisches Weinanbauparadies. Die täglichen Bodegatouren und die nächtlichen „Asados“ (Grillerei) machen den Weinentzug und die „Reis und Hühnchen-Monotonie“ der letzten Monate definitiv wett. Uff!
Meine erste Parilla, da esse ich gerade Kuheuter
Cafayate
Cafayate – la Quebrada
La Quebrada
Weingut in Cafayate
Bodega de vino
Tucuman
Laut Lisi die schönste Stadt Argentiniens. Ha! Naja. Dank meiner lieben Freundin, die sich dort schon sehr eingelebt hat, konnte ich einen speziellen Einblick in die Stadt geniesen. Sozusagen in ihr Leben eintauchen und mal den anderen das planen überlassen. Und auch die höchst interessante WG mit neun internationalen Mitbewohnern lässt keine Langeweile aufkommen, obwohl ich seit langem mal wieder zwei Wochen am selben Platz verbracht habe.
Tafi del Valle
Ein weiterer Ausflug von Tucuman aus führte uns dann in die Einöde von Tafi. Nach zwei Tagen in einem kleinen Dorf kriegt man die Offenheit der Bewohner gegenüber ausländischer Abwechslung ständig zu spüren. Dabei wurden uns sehr persönliche Lebensgeschichten beinahe aufgedrängt. Die Dorfdisko war aber leider nur der Plan B im Unterhaltungsprogramm, was aber nicht heissen muss dass ich nicht bis früh morgens bleiben kann.
Leider zeigt der argentinische Winter auf cirka 2000m bereits seine kalte Schattenseite. Ein Zimmer ohne Heizung war deshalb nicht so der Hit, aber was soll man machen wenns dort sowas erst gar nicht gibt. Die Landschaft und der „Vino patero“ (süsser Regionalwein) waren allerdings genial.
Amaicha del Valle
Als nächstes besuchten wird einen Spot ganz in der Nähe. Noch verschlafener und der Ausgangspunkt für die Ruinenbesichtigung in Quilmes. An der Bushaltestelle haben wir Sebastian kennengelernt. Ein qualitativer Guide, der mich wiedermal vom Gegenteil überzeugt hatte, nämlich dass geführte Touren doch Sinn machen und einem Einblicke verschaffen können, die alleine und ohne Bezug einfach nicht so interessant sind.
Quilmes
Die Geschichte der Ruinen von Quilmes ist wirklich sehr interessant. Damals wie heute!
Und vor allem heute bildet es einen Sonderfall mitten im demokratischen Argentinien. Mit den westlich anerkannten demokratischen Werten ein etwas anderes Beispiel für eine Führungspolitik. Die basisdemokratisch bis beinahe anarchistischen Regierungsmethoden in den heutigen „Comunidades“ (Vereinigungen) funktioniert laut unserem Guide sehr gut. Dort wird per Abstimmung darüber entschieden wie die Ruinen weiterhin vermarktet werden sollen, wer welches Amt innerhalb der Gemeinschaft tragen soll und wem welches Grundstück zugeschrieben wird. Natürlich hat auch dieses Regierungssystem seinen Hacken, nämlich dass alles etwas länger dauert. Aber wie allgemein bekannt – haben die Leute hier mehr Zeit für Details und Muse für Konflikte.
Rosario
Ein absoluter Pflichtbesuch für mich. Die Geburtsstadt vom Che und der vorrauseilende Ruf eine besondere Künstlerstadt zu sein, ebenso wie die Einladung von Lisandro überzeugten mich! Und ich wurde auch keineswegs enttäuscht. Ganz im Gegenteil! Der erste Tag begann genauso spannend wie der letzte Tag in Rosario endete. Lumila, die verrückte Schauspielerin der WG nahm mich mit zur Demo, die für eine Legalisierung der Jobs im Sozialbereich stattfand. Mein persönliches, ironisches Highlight dabei war ein afrikanische Musiker der unter einem Plakat performte, welches gegen Schwarzarbeit im Sozialbereich parolierte.
Am zweiten Tag wurde ich von Lisandro mit in die Schule genommen um dort im Etikunterricht einen Vortrag über meine Reise zu halten. Und die cirka 100 Kinder überraschten mich dann doch sehr mit ihrer Aufgewecktheit und den Fragestellungen bezüglich Europa, das Bild Argentiniens in der Welt, das Reisen als Frau, die Hierarchie von Sprachen, usw.
Irgendwie schaffe ich es in letzter Zeit jedes Wochendende auf einem anderen Geburtstag zu sein. Allerdings kenne ich die Leute vorher nicht. Trotzdem ist es sehr interessant in die verschiedenen Freundeskreise reinzuschnuppern und neue Leute kennenzulernen. Auf dieser Geburtstagsparty war es besonders interessant, da die meisten Schauspieler waren und ausgeprägte extrovertierte Persönlichkeiten aufeinanderprallten. Als irgendwann früh morgens ein himmelblaues Keramiksparschwein auf die Terasse geflogen kamm, weil es den Nachbarn zu laut wurde, war das für die rosa Schweinchenfetischistin Lumila deshalb ein besonderes Zeichen.
Fiesta Fiesta
Umso lustiger fand ich dann am Sonntag darauf auch die Theateraufführung auf einem Mittelalterkarren im Park, wo Lumila und viele ihrer Freunde mitwirkten.
Der Theaterkarren im Park
Eine künstlerische Herausforderung fand ich persönlich in einem kleinen Auftritt als österreichische Anthropologin im nationalen Radio und einem peinlichen Auftritt im Rosario TV als ausländische Chumbialiebhaberin (lateinamerikanische Schlager). Das alles tat ich im Zeichen der „Sociedad Criptozoologica de Rosario“, eine verrückte Vereinigung junger Filmemacher und Autoren, die gegen Zensur, monotone Medienerstattung und für die Freiheit des Geistes stehen. Leider habe ich wiedermal bemerkt, dass ich nur ein geringes schauspielerisches Talent besitze. Ob nun ausbaufähig oder nicht hat es jedenfalls sehr viel Spass gemacht!
Von Teilnahmslosigkeit oder politischer Aphatie ist in Rosario sowieso in keinster Weise zu reden. Das starke Solidaritätsbewusstsein und die aktive Zivilgesellschaft erstaunten mich hier tagtäglich aufs Neue. Möglicherweise tun die politische Vergangenheit und die Assoziation mit dem revolutionären Geist des Che’s ihr Übriges dazu.
oye Che!
Besonders fand ich auch die typisch rosarinische Sexualsprache. Einfach alles wird in einen sexuellen Kontext verpackt und ich musste wiedermal unzählige neue Vokabeln lernen, damit ich überhaupt was verstehe bzw. um peinliche Versehen zu vermeiden. Und auch der eigene rosarinische Humor muss zuersteinmal verstanden werden. Ironie und Sarkasmus gehören genauso zu den rhetorischen Eigenheiten wie pajera, cajeta, poronga, orto, ojete, coger, garchar (Wörter die ich auf Deutsch so gar nicht Übersetzen kann, weil sie dort gar nicht existieren). Falls man nach einer Erklärung sucht, woher die häufige Anwendung von Sexualvokabular stammt, dann wird man schnell fündig. Der „kulturell bedingte Faszination“ zum anderen Geschlecht ist ja bekanntlich in lateinamerikanischen Gefielden ausgeprägter und der argentinische Charme lässt dann schon gar nichts anbrennen. Ausserdem sollen die schönsten Frauen Argentiniens in Rosario leben. Kompletiert wird das Ganze durch die Ironie. Noch mehr Erklärungen habe ich aber nicht.
Der Nationalfeiertag
Auf dem Monument in Rosario mit Lisandro
Nach zwei Wochen in Rosario, einer interessanten Erfahrung in der WG mit einem Lehrer/Autor, einer Schauspielerin und einem Filmproduzenten habe ich nicht nur wirklich gute Freunde dazugewonnen – sondern wiedermal viel erlebt und ergründet. Dennoch wird es Zeit weiterzureisen. Noch habe ich nicht genug davon! Buenos Aires fehlt noch im Programm und ich bin schon sehr sehr sehr gespannt wie mir die Hauptstadt gefallen wird. Entweder man liebt Buenos Aires oder man hasst es, wurde mir immer wieder gesagt…
Ihr seht also, mir geht es sehr gut und es tut sich so einiges in meinem Leben. Und leider gefällt mir Argentinien noch besser als ich mir gedacht hätte. Deshalb wird es ausgesprochen schwierig werden das Rückflugticket zu buchen…
argentinisches Asado
Tafi del Valle
Die Tage, Wochen und auch Monate fliegen dahin und die lateinamerikanische Gemütlichkeit hat mich voll und ganz fuer sich gewonnen. Dennoch möchte ich endlich Zeit finden die Reiseeindrücke zu verarbeiten. Inzwischen habe ich Argentinien hinter mir gelassen und habe mir ein Ticket zurück nach Peru gebucht. Wie gesagt, hier gibt es noch vieles für mich persönlich zu entdecken. Aber ein Teil meines Herzens ist definitiv in Argentinien geblieben. Und daran ist nicht nur der Tango schuld. Das Einzige dass mir bleibt ist irgendwann dahin zurueckzukehren um die Sehnsucht nach Argentinien zu stillen.
Argentinien scheint mir ein besonderes Gemisch aus vielen unterschiedlichsten Kulturen zu sein. In den Jahren zwischen 1880 und 1930 fand die groesste Einwanderungswelle aus Europa statt. Viele Polen und Italiener liessen sich dort nieder. Immer wieder kamen vor allem europaeische Einwanderer nach Argentinier. Zum Beispiel auch viele Naziflüchtlinge, aus beiden Lagern.
Alles in allem ist Argentinien ein faszinierendes Land!
Am 03.07.2011 um 20:04 Uhr
Ich hoffe es gibt nicht nur „Boludos“ und „Cajeros“ in Argentinien. 😉
Was für ein Leben!
Bleibt in Argentinien, ich komme!
Am 05.07.2011 um 12:50 Uhr
Eine wichtige Frage für die heimischen Grillgefilde! Das geniale Asado auf deinen Bildern: ist das wirklich Paprika mit Ei? Ein Argentinisches Steak werde ich zwar nicht so leicht bekommen, aber diese Inspiration wäre schon etwas für mich 🙂
Am 05.07.2011 um 13:03 Uhr
Sieht ganz so aus!
Im Zweifelsfall einfach mal ausprobieren, stelle ich mir lecker vor: Spiegelei in Paprika 😀
Am 05.07.2011 um 15:32 Uhr
Die Paprika halbieren, das Ei hineingeben und mit Salz und Pfeffer würzen. Dann cirka zehn Minuten über der Glut garen lassen. Schmeckt sehr lecker! Das Gericht ist zwar nicht typisch argentinisch, doch auch in der arg. Küche existiert ein Melting Pot.
Am 12.07.2011 um 13:17 Uhr
Kuheuter? Wäre jetzt nicht so mein Fall! Da bleib ich doch lieber bei Ferienwohnungen oder Ferienhäuser auf Rügen und esse lieber was anständiges veganes. 😉
Aber die Naturfotos sind echt enorm beeindruckend!